2024-11-14
Nach langem Warten geht es endlich los, unsere Reise nach Italien zur Weltmeisterschaft der U8-U12 Kinder startet. In der Früh saßen wir schon ab halb Sieben im Zug. Zu dieser Zeit wussten wir noch nicht, dass die Reise anstrengender wird als gedacht, denn wir mussten feststellen, dass nicht nur die Deutsche Bahn Probleme mit der Pünktlichkeit hat…
In Innsbruck mussten wir wegen technischer Störungen einen unfreiwilligen Halt von 1,5 Stunden machen, wodurch wir natürlich die Anschlussverbindung verpassten. Zusätzlich musste dann noch unser Zug auf halber Strecke komplett ausgetauscht werden, sodass wir den ersten Zwischenstopp in Bologna mit über drei Stunden Verspätung erreichten. Nach insgesamt 16 Stunden Fahrt kamen wir dann endlich im Hotel an. Dort wurden wir herzlichen empfangen und außerhalb der Öffnungszeiten der Küche mit leckerem Essen versorgt.
2024-11-15
Alle Partien finden immer Nachmittags statt. Deswegen konnten wir am Vormittag bei Sonnenschein die Gegend um das Hotel erkunden, die sich sehen lassen kann. Eigentlich ist Montesilvano ein typisches Urlaubsziel. Zu dieser Jahreszeit ist die Gegend aber bis auf die Schachler wie ausgestorben, was seinen eigenen Reiz hat. Überzeugt euch selbst von den ersten Bildern.
Als zur Mittagszeit die Paarungen vorlagen, war die Überraschung groß. Für Annika ging es gleich zu Beginn gegen die absolute Favoritin Berikkyzy Alanna aus Kasachstan mit einer Elo von 2043. Dieses Jahr könnt ihr live mitfiebern, denn alle Spiele werden live übertragen, hier sind die Links:
Auch wenn man mal träumen darf, am Ende zeigte sich doch die Erfahrenheit und deutlich höhere Spielstärke der Gegnerin, die bei Annikas erster Ungenauigkeit sofort einen Königsangriff startete und Annika keine Chance ließ. Kopf hoch Annika, ab jetzt kommen leichtere Gegnerinnen (aber dennoch starke, denn wir sind hier auf der WM).
2024-11-16
Heute ging es gegen Livia Foong aus Malaysia. Eine kurze Recherche zeigte, dass Livia bereits eine erfahrene WM-Spielerin ist, die bereits früher an Weltmeisterschaften teilgenommen hat. Damit konnte man aber auch Partien von ihr finden und sich vorbereiten. Zwischen den Vorbereitungen nutzten wir allerdings auch das gute Wetter, um den Strand unsicher zu machen.
Ab jetzt gibt es keine Fotos aus dem Turniersaal mehr, da es vor den Spielen strenge Eingangskontrollen mit Metalldetektoren gibt und nur Spieler und Delegationsleiter in die heillige Hallen gelassen werden. Insgesamt sind bei der WM sehr strenge Sicherheitsvorkehrungen, sogar die Polizei mit Spürhunden ist jeden Tag vor der Runde vor Ort…
Hierzu könnt ihr auch etwas im ersten Bericht des Bundesnachwuchstrainers lesen.
Bei der Vorbereitung wussten wir, dass Livia Französisch spielt. Allerdings haben wir keine Partie mit der Tarraschvariante gefunden. Also bekam Annika einen kurzen Gesamtüberblick über „alle“ möglichen Varianten. Wie es so ist, verwechselte sie aber einige Varianten und geriet ins Hintertreffen. Sie kämpfte aber konzentriert weiter, nutzte im Gegensatz zu ihrer Gegnerin ihre Bedenkzeit und konnte sich nach einem Fehlzug von Livia noch ins Remis retten. Herzlichen Glückwunsch zum ersten (halben) Punkt auf der WM.
Morgen geht es gegen Viktoryia Blakhina, die unter der Flagge der FIDE startet und aus Belarus stammt. Auch sie hat schon sehr viel internationale Turniererfahrung. Lassen wir uns überraschen, wer von den beiden Mädels morgen die besseren Nerven hat.
Das Wetter soll auch wieder gut werden, also wartet am Vormittag neben den Hausaufgaben auch der Strand!
2024-11-17
Es mag einfach nicht so richtig klappen auf der WM. Da auch Viktoryia bereits auf WMs gespielt hat, konnte Annika sich zwar gut auf einen Alapin Sizilianer vorbereiten und auch ordentlich aus der Eröffnung kommen. Beim Übergang ins Mittelspiel übersah Annika allerdings einen taktischen Einschlag, der sofort die Partie entscheidete. Somit stehen zum aktuellen Zeitpunkt nur 0,5 Zähle aus drei Partien auf dem Konto. Wenigstens war das Vormittagsprogramm dank traumhaften Wetter schön.
Morgen spielt Annika mit Weiß gegen Ikhlas Khelfallah aus Algerien.
2024-11-18
Auch in der vierten Runde musste Annika nochmal Lehrgeld zahlen. Ikhlas wählte eine passive aber sehr zähe Variante in der italienischen Partie. Dabei setzte sie sich auf die Lauer und wartete auf Fehler seitens Annika. Wenige Züge nach Abschluss der Eröffnung, konnte sie tatsächlich eine taktische Abwicklung finden, bei er sie zwei Leichtfiguren für einen Turm und zwei Bauern gewinnen konnte. Allerdings wählte Annika eine falsche Fortsetzung, die einen Bauern kostete und die Stellung ruinierte. Kurze Zeit später war dann auch noch Annikas Springer am Rand fällig, was Annika kurze Zeit später zur Aufgabe brachte. Runde vier zeigt einmal mehr, dass es keine leichte Gegner auf der WM gibt.
Heute wurden noch das Gruppenbild aller deutscher WM Teilnehmer gemacht:
Und noch Annika und Moritz mit dem Bundesnachwuchtrainer
2024-11-19
Endlich hat die Pleiteserie ein Ende. In der fünften Runde konnte Annika gegen Nadica Velkova aus Mazedonien ihren ersten Sieg erspielen. Annika blieb während dem ganzen Spiel konzentriert, gewann in der Eröffnung einen Bauern und gab diesen Vorteil nicht mehr her!
Am Vormittag fand derweil ein offenes Blitzturnier in der WM Halle statt, wodurch auch ich mal etwas von der besonderen Turnieratmosphäre schnuppern konnte. Dabei musste ich feststellen, dass die jungen WM Teilnehmer im Vergleich zu ihren Zahlen sehr gute Blitzspieler sind. Gesetzt an Platz 16, reichte es am Schluss nur für den 34. Platz.
Hier geht es zur Ergebnisseite des Blitzturniers
2024-11-20
In Runde 6 ging es für Annika gegen Darina Ivanova aus Bulgarien. Zuvor wurde aber am Vormittag noch kräftig Outdoor Sport getrieben, denn es war mit 22 C° der wärmste Tag seit Beginn der WM. Zum vollkommenen Glück wären noch weniger Wind und mehr Sonnenschein recht, allerdings kann man nicht alles haben.
Dank der Vorrunden-Partien, konnte Annika sich auf Darina vorbereiten und studierte zahlreiche giftige Varianten im beschleunigten Drachen. Tatsächlich zahlte sich die umfangreiche Vorbereitung aus, weil Annika durch einen vorbereiteten taktischen Schlag sehr früh in der Eröffnung einen Bauern erobern konnte. Im weiteren Verlauf ließ sich Annika Zeit und konnte den Vorsprung sogar noch auf Leichtfigur gegen Bauern ausbauen. Diesmal ließ sich Annika aber fast zu viel Zeit (was in diesem Alter sehr löblich ist), so dass sie am Ende in Zeitnot zu geraten drohte. Das machte sie nervös und sie stellte einen Bauern ein. Das darauffolgende Remis Angebot ihrere Gegnerin nahm sie dann aus Angst die Partie noch vollständig einzustellen an, obwohl sie immer noch eine bessere Stellung hatte. Insgesamt sehr schade, aber auch verständlich, da die vielen Pleiten zu Beginn des Turniers doch am Selbstbewusstsein gezerrt haben. Somit wuchs der Punktestand auf zwei Punkte aus sechs Partien.
Am Donnerstag findet keine Partie statt. Diesen freien Tag können die Kinder nutzen, um wieder Energie zu tanken und die Gegend intensiver zu erkunden. Als Einstimmung auf diesen freien Tag, hat der Bundesnachwuchstrainer Bernd Vökler, der bereits seit über 20 Jahren als Betreuer bei Weltmeisterschaften dabei ist, Bilder von spielfreien Tagen vergangener WMs gezeigt und die passenden Geschichten dazu erzählt. Es war ein sehr unterhaltsamer Abend.
2024-11-21
Heute steht nun das Highlight so mancher Schach-WM an, der spielfreie Tag! Die Organisatoren geben sich auch richtig Mühe, um den Spielern mehrere Exkursionsmöglichkeiten anzubieten. Allerdings waren es in diesem Jahr Ziele mit einer sehr weitern Fahrt… Rom und San Marino hätten jeweils eine Gesamtfahrzeit von mindestens 6 Stunden bedeutet… Das war es uns beim besten Willen nicht wert, vor allem da die Gegend vor Ort auch ihren Reiz hat. Deswegen entschieden wir uns, im Hotel Fahrräder auszuleihen und an der Strandpromenade entlang am sehr gut ausgebauten Fahrradweg nach Pescara zu radeln. Der Weg an der Promenade ging direkt über die Ponte del mare, eine Schrägseilbrücke, welche auch die längste Fahrrad- und Fußgängerbrücke Europas ist. Bilder unseres Ausflugs findet ihr in nachfolgender Bildergalerie.
2024-11-22
Für diesen Tag sollte etwas ganz Besonderes geplant sein. Vor der Runde wurde in Chat-Kanälen angekündigt, dass Andrea Bocelli anreisen wird, um in einem „Live Event“ den heutigen Spieltag zu eröffnen. Ausnahmsweise durften deshalb auch die Eltern die Spielhalle betreten. Extra für das Event mussten die Spieler bereits um 14 Uhr zur Partie erscheinen. Die Spannung war entsprechend groß, weil alle damit rechneten, einen Live-Auftritt eines Weltstars mitzuerleben… was dann allerdings passierte grenzt schon an absurde Komik. Die Spieler wurden um 14 Uhr eingelassen, die Eltern folgten nach großem Gerangel um 14:30. Anschließend kamen ein paar Worte auf Italienisch von Andrea Bocelli mit einer Übersetzung ins Englische im Nachgang und… das wars :D, die Menge musste wieder raus (trotz Flügel auf der Bühne, der wohl nur zur Deko dort stand). Um das Zitat einer Zuschauerin aufzugreifen, eine absolute Zeitverschwendung. Was sich die Veranstalter dabei gedacht haben, bleibt für Viele ein Rätsel.
Trotz der langen Vorlaufzeit zur Runde ließ sich Annika bei der anschließenden Partie gegen Haeun Yang aus Südkorea nicht aus der Ruhe bringen. Aufs Brett kam der vorbereitete Spanier, wobei die Gegnerin relativ zeitig einen groben Fehler in der Eröffnung beging und durch eine Fesselung eine Figur geben musste. Anschließend folgte noch ein schöner Angriff von Annika, den sie mit einem forcierten Matt in Zwei abschloss. Weiß am Zug, wer hätte es gesehen?
Am Abend ist mir leider noch mein Handy kaputt gegangen und verweigerte das Aufladen. Mangels Ersatzteile und Werkzeug muss ich leider bei den restlichen Rundenberichten auf Bilder verzichten.
2024-11-23
Heute erging es Annika bei ihrer Partie gegen Mumtozbegim Sobirova aus Usbekistan ähnlich wie ihrer Gegnerin gestern. Mitten in der Eröffnung konnte sich Annika nicht mehr an den richtigen Folgezug erinnern. Sofort geriet sie in eine schwierige Situation und verlor den Überblick. Kurze Zeit später stellte sie noch den Turm und damit die Partie ein. Doch nicht nur für Annika läuft das Turnier nicht so gut, auch einige weitere Teilnehmer aus Deutschland haben Caissa bisher nicht auf ihrer Seite, was man auch im zweiten Bericht von Bernd Vökler nachlesen kann.
2024-11-24
So langsam näheren wir uns dem Ende des Turniers. Mittlerweile leiden Annika und ich auch an Heimweh, da wir die Leute daheim sehr vermissen und das Vorbereiten/Besprechen der Partien und das Nachholen des Schulstoffs doch Kraft kostet. Hilft alles nichts, das Turnier ist noch nicht vorbei und Annika muss entsprechend die Zähne zusammenbeißen und weiterkämpfen. In der heutigen Partie spielte Annika mit Weiß gegen Maria Ignacia Guerra Mansilla aus Chile. Annika bewies Durchhaltevermögen und lieferte sich in einer über dreistündigen Partie einen positionellen Kampf mit ihrer Gegnerin. Am Ende war ein ausgeglichenes Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern auf dem Brett, weswegen sich die Spielerinnen auf ein Remis einigten. In meinen Augen Annikas bisher beste Partie in diesem Turnier, bravo.
Das Wetter ist hier weiterhin super, weswegen viele Kinder die Pausen für Spiel und Spaß am Meer nutzen.
2024-11-25
Vorletzte Runde geschafft! Heute spielte Annika gegen Rebecca Tarricone aus Bella Italia, die also ein Heimspiel hatte. Vorbereitet wurde diesmal der Scheveninger Sizilianer, um etwas weniger berechenbar zu sein.
Scheinbar hatte die Gegnerin aber Respekt vor Annikas bisher gespielten Sizilianisch Varianten und wich mit einem Alapin Sizilianer von ihrer gewohnten Spielweise ab. Mit dem hatte Annika nicht gerechnet und kam in der Eröffnung bereits in Nachteil. Zum Glück hatte Annika das längere Überlegen im Schach endlich gelernt und konnte sich Stück für Stück in die Partie zurückkämpfen. Am Ende einigten sich beide Spielerinnen auf die Punkteteilung. Damit ist der Stand vor der letzten Runde: Vier Punkte aus zehn Partien.
2024-11-26
Wie die Zeit verging, heute stand auch schon die letzte Runde auf dem Programm. Für Annika ging es gegen Juliana Sanchez Torres aus Kolumbien. Es entstand ein harter Kampf bei dem Annika im Mittelspiel ins Hintertreffen geriet. im Verlauf konnte sie aber wieder ausgleichen und mit dem Turm auf der siebten Reihe und einem starken Springer ihre Gegnerin massiv unter Druck setzen. Zwischenzeitlich wäre die Partie durch taktische Einschläge sogar für Annika gewonnen gewesen, was aber sehr schwer zu sehen war. Zu diesem Zeitpunkt hatten beide Spielerinnen bereits mit Zeitproblemen zu kämpfen. nach 3,5 Stunden einigten sich beide auf ein Remis und so Stand das Ergebnis für Annika fest.
Bei ihrer ersten WM konnte sie insgesamt 4,5 Punkte aus 11 Partien holen. Wenn man bedenkt, dass sie noch im jüngeren Jahrgang ist, so ist das ein ganz beachtliches Ergebnis. In meinen Augen wurde sie auch im Verlauf des Turniers immer besser! Sicher hat sie viele wertvolle Erfahrungen sowohl fürs Schach als auch für das restliche Leben gemacht.
Morgen geht es für uns wieder in Richtung Heimat.
Ciao und liebe Grüße,
Arthur und Annika
Schreibe einen Kommentar